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Von Zar Peter zu Putins Angriffskrieg in der Ukraine


Historiker bei Literarischer Gesellschaft über russische Geschichte – Kontroverse im Publikum VON ALEXANDRA JOEPEN-SCHUSTER MÜNCHNER MERKUR VOM 23.02.2024 Gräfelfing (MM) - Putins Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der sich am 24. Februar zum zweiten Mal jährt, wirft Fragen auf und verbreitet allgemeine Verunsicherung. Riesengroß war daher das Bürgerinteresse am Dienstag Abend im Kurt-Huber-Gymnasium (KHG). Als zweiten Gast im Halbjahresprogramm hatte die Literarische Gesellschaft Gräfelfing den renommierten Osteuropa-Historiker, Prof. Martin Schulze Wessel, eingeladen. In Auszügen präsentierte der Russlandkenner sein Buch „Der Fluch des Imperiums", das 2023 für den Deutschen Sachbuchpreis nominiert worden war. Der Vortrag stimmte am Ende wenig optimistisch, und Schulze Wessel mahnte: Wenn das Sicherheitsversprechen der NATO nichts mehr gilt, sind wir nur noch ein Hühnerhaufen!"


Prof Schulz Wessel in Gräfelfuing

„Der Fluch des Imperiums" heißt das für den Deutschen Sachbuchpreis nominierte Werk, das Autor Prof. Martin Schulze Wessel den Gästen der Literarischen Gesellschaft Gräfelfing im Kurt-Huber-Gymnasium vorstellte. FOTO: DAGMAR RUTT


Schulze Wessel schaffte insbesondere Bewusstsein dafür, dass Russlands imperiale Vergangenheit der Schlüssel ist, um Putins Überfall auf die Ukraine und seine antiwestlichen Haltung nachzuvollziehen. Das war 2022 keine Zeitenwende in der russischen Politik, sondern ein Akt von Kontinuität", urteilte der Wissenschaftler. Schulze Wessel konzentrierte seinen Vortrag auf drei Kernthesen. Zunächst machte er die Paralellität der Handlungsweise von Zar Peter dem Großen (Peter I, 1672-1725) und Wladimir W. Putin für seine Zuhörer erkennbar: "Aus neuer Sicht beginnt mit Peter I. ein spezieller Weg russischer Geschichte, der nicht determiniert war, aber zwangsläufig in die Gegenwart führt", sagte der Universitätsprofessor. Die konsequente Durchsetzung imperialer Strukturen aus ökonomischen wie geografischen Beweggründen sei bei beiden Staatsoberhäuptern identisch.


„Peter I. zielte auf die Beherrschung des gesamten Exportwesens bis zu seinem damaligen Endkunden England ab und suchte Ost- und Nordsee für den Export zu verbinden", so so Schulze Wessel und legte die große Ähnlichkeit zu Putins Ausbau der Gas-Pipeline "Nordstream II" nahe. Die Vereinigung des gesamten slawischen Volkes unter einer Herrschaft im Sinne eines „Ganz oder gar nicht" sei ein zweites Gedankenmuster, das in die Gegenwart hineinführe, erklärte Schulze-Wessel. Die Polenfrage unter Peter dem Großen im 18. Jahrhundert habe die strukturelle Kontinuität aus geprägt, die jetzt beim Kampf um die Ukraine wieder greife. Durch die Entwicklung zur Eigenständigkeit einzelner Staaten sehe Russland seine imperiale Identität bedroht. Diese würden als Werkzeuge westlicher Mächte betrachtet, die danach trachteten, Russland zu zerstören.


Drittens ging es im Vortrag um Kontingenz, um die Frage danach, ob es alternative Wege in der geschichtlichen Entwicklung gegeben hätte. Als Beispiel führte Schulze Wessel unter anderem die Liebesgeschichte zwischen der Zarentochter Elisaveta Petrovna und dem ukrainischen Kosaken Oleksii Rozumovskyi an. „Hier hätte es eine Möglichkeit zu einer anderen russisch-ukrainische Geschichte gegeben", urteilte Schulze Wessel. Bürokratische Strukturen wie die der Zölle seien jedoch stärker gewesen als dieses zufällige Ereignis einer affektiven Bindung.

Bei einer Wortmeldung aus dem Publikum im Anschluss an den Vortrag kam es kurzfristig zu Tumult und wenige Zuhörer verließen empört die Aula. Behauptet worden war, dass man durch die Einstellung von Waffenlieferungen an die Ukraine einen sofortigen Frieden herstellen könne, die Ausweitung des NATO-Raums seit der eigentliche Grund für den Angriff Russlands. „Putin selbst hat seinerzeit dem NATO-Beitritt Polens zu- gestimmt". entkräftete Schulze Wessel und betonte in aller Deutlichkeit: „Die Ukraine ist das Opfer, nicht Russland!" Auch die baltischen Staaten seien bedroht, sollte die Ukraine fallen. Es sei fatal zu glauben, dass ein einfacher Deal möglich ist.

 

Von Zar Peter zu Putins Angriffskrieg

Quelle: Bild des Artikels aus dem Münchner Merkur vom 23. Februar 2024.



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