
JUBILÄUM 1946


Nichts aber sollte uns hindern, hier mit einigen schriftlichen Worten und Rückblicken die Erinnerung an diese 25 Jahre gemeinsamen Wirkens und Erlebens, die dans doch so mancherlei gegeben haben, festzuhalten. Hiermit hoffen wir nicht nur unseren zahlreichen Mitgliedern und anderen Freunden eine bescheidene Freude zu bereiten, sondern auch zum Nugtzen weiterer Kreise ersichtlich zu machen, wie eine solche von Laien gegründete und geleitete Vereinigung zur Bereicherung des geistigen und geselligen Lebens beitragen kann, und wie solches sich besonders fruchtbar und erfreulich in den Zeiten allseitiger Not und Sorge auszuwirken vermag.
Am 12. Oktober 1921 fanden sich in Krailling und Planegg auf Einlsdung des Geheimrates Dr. Adolf Stamm, eines Schulmeisters im schönsten Sinne des Wortes, etwa 20 Männer und Frauen aus Planegg, Krailling und Gräfelfing zusammen, um eine geistig-gesellige Vereinigung ins Leben zu rufen. Diese "Literarische Gesellschaft“ möge, so hieß es in den Eingangsworten Dr. Stamms, den schlimmen Nöten der Zeit eine segensreiche Zufluchtsstätie werden, wo wir die Sorgen, die uns alle bedrücken, zeitweise vergessen dürfen, und uns durch liebevolle und ernsthafte Beschäftigung mit unvergänglichen Werten und durch gegenseitige Aussprache aufrichten und versichen wollen, die beglüackende Heiterkeit des Cemütes zu finden, die gleich weit entfernt ist von verzweifelndem Pessimismus und wie von oberflächlichen Optimismus. Dieser regelmäßige Austausch solle durch einen alle zwei Wochen stattfindenden Vortragsabend erfolgen, während män sich in der Zwischenzeit zu rein geselligem Beisammensein treffen wolle. Die Vorträge sollten zunächst ausschließlich von Mitgliedern bestritten werden.
Diese mit Freuden begrüßte Gründung fand alsbald zahlreiche Mitglieder auch in der weiteren Umgebung des Würmtals und konnte in ihrem ersten Jahresbericht bereits einen Mitgliedsbestand von fast 60 Personen aufweisen. Auch waren die Vortragsveranstaltungen durch Abend und gemeinsamen Ausflug erweitert worden.
Inzwischen aber wuchsen die durch die Notzeit bedingten Schwierigkeiten — Mangel an Heizmitteln, Verkehrsstockungen und eine rapide Geldentwertung — derart bedrohlich an, daß die Abhaltung weiterer Zusammenkünfte bald undurchführbar erscheinen wollte. Schließlich aber half man sich doch dadurch, daß jeder Besucher seine eigenen Kohlen oder Briketts zur gemeinsamen Erwärmung der Gaststätte, des Cafe Hacker in Krailling, mitbringen mußte, und daß der anfänglich mit 5 Mark festgesegte Jahresbeitrag auf — 100.000 Mark erhöht wurde mit dem Vorbehalt weiterer ‚Zubußen‘, falls die fürchterliche Inflation noch rasendere Fortschritte machen sollte. So geschah es denn auch, aber die schlimmste Notzeit war damit überbrückt, Wie sehr diese auf allem Leben und Geschehen lastete, lassen auch so manche der Themen jener Jahre erahnen, wie etwa: Armes Deutschland!; Essen, Trinken, Stoffwechsel sowie "Das Holzhaus" u.w.

keine geeigneten Redner und Vortragsstoffe mehr finden ließen, wodurch der Besuch der Abende ständig zu-rückging. Zwar wurde der Antrag auf Auflösung der Gesellschaft abgelehnt und Herr Dr. Stamm zum Ehren-vorsigenden ernannt, jedoch bildete sich zugleich ein neuer Vorstand unter Leitung des Herrn Hauptmann außer Dienst Vincenz Mandl mit Herrn Architekt Putlig, Gräfelfing, als zweiten Vorsitzenden.
In den folgenden Jahren nimmt die LG. unter der neuen Führung einen kräftigen Wiederaufstieg, der sich ebenso im Zugang von neuen Mitgliedern: wie auch in der Art der Vorträge ausdrückt, für die jegt mehr und mehr Redner von auswärts gewonnen werden. Noch größer wird der Migliederbestand und die Zahl der Veranstaltungen, zumal gesellschaftlicher Natur, unter der äußerst regen und verdienstvollen Leitung des Herrn Generalmajor a. D. K. Schupbaum und des stellvertretenden Vorsigenden, Marineoberbaurat außer Dienst H. Hartmann. Hierbei seien auch die ausführlichen und zum Teil vorzüglichen Vortragsberichte im Protokollbuch erwähnt. die von den jeweilige Schriftführer verfaßt wurden, so besonders von Frau Casella, Fräulein Unger und den Herren Städler, Hartmann und Schupbaum.
Im legten Jahrzehnt, 1934—1945, leitete Herr Thomas Engelmann, Gräfelfing, die L.G. vortreefflich, unterstüzt durch die übrigen Vorstandsmitglieder: Stadtoberbibliothekar Dr. E. Mehl, Hauptkonservator Dr. Thomas Muchall Viebrook als Schriftführer und — nicht zuletzt — durch die langjährige Kassenleiterin Fräulein Gertrud Skoniecki. Diese zehn Jahre LG-Arbeit standen, wie ja fast alles Leben und Wirken jener Zeit, im Zeichen des tief einschneidenden Weltgeschehens: dem großen Kriege und zugleich der unseligen Hitler-Diktatur. Hierdurch erwuchsen auch unserer LG. ständig sich mehrende Schwierigkeiten innerer und äußerer Art, die so manches Mal fast unüberbrückbar erschienen. Wenn es wider Erwarten dennoch gelang, ihrer Herr zu werden, so ist dem guten Geiste zu verdanken, der unsere Gemeinschaft beseelte. So wurde es möglich, trotz vieler Bedrohungen politischer und materieller Art von der einen und feindlicher Störungen durch Bomben-angriffe von der anderen Seite, unsere Veranstaltungen fortzuführen, ohne daß wesentliche Zugeständnisse an das nationalzozislistische Regime oder allzugroße Einschränkungen kriegsbedingier Art gemacht werden mußten.
Das Bedürfnis nach solch geistig-geselligen Darbietungen erwies sich als so stark, daß die Zahl der Mitglieder und Besucher ständig zunahm - bis über 180 Mitglieder — und der Kreis der Veranstaltungen immer weiter gezogen und mehr auf das vorwiegend Literarischer gerichtet werden konnte. So wurden auch zwei L.G. Lese-kreise gebildet (unter Leitung von Dr. W. Jülicher), Führungen durch Museen und Ausstellungen veran-staltet, Film- und Bunte Abende, Jahresendfeier mit Verlosung von Büchern u. a. abgehalten, die uns viele neue Mitglieder und Freunde zuführten. Zugleich verlagerte sich der Schwerpankt der Gesellschaft zo stark nach Gräfelfing/Lochham, daß seit 1938 dort die regelmäßigen Veranstaltungen stattfanden, zulezt in der so beliebten Gaststätte Waldheim.
Alleiniges Ehrenmitglied der Literarischen Gesellschaft ist zur Zeit Herr Prof. Dr. Walter Goes, Gräfelfing, dem nicht nur eine große Reihe hervorragender Vorträge, sondern auch zahlreiche wertvolle Hilfen und Anregun-gen zu verdanken sind.
